Was mich beschäftigt und mir wichtig ist

Wenn ich nicht ich wäre, sondern jemand anders: Könnte ich mich dann leiden?

Die eine Realität

Ein aktueller Lebensschnipsel aus dem Spätsommer 2015. "Die eine Realität" gibt es wohl nicht. Mein Erleben unterscheidet sich von dem anderer, und dass der anderen von meinem, ganz klar - eine Banalität. Meist gibt es Schnittmengen, und nicht immer ist das Erleben diametral entgegengesetzt (ich liebe z.B. den Film Prometheus, kenne aber Leute, die mit ihm rein gar nichts anfangen können). Trotzdem ist es manchmal erschreckend, was es so alles für Realitäten gibt und was andere Menschen für real halten können. Temporäre Realitäten, dauerhafte - wahnhaft manchmal und dennoch ganz wirklich für die Person, die sie gerade lebt. Da mitzuhalten bzw. zu jemandem zu halten, so lange Unterstützung vonnöten ist, und selber nicht vor Erschöpfung "ver-rückt" zu werden, ist gar nicht so einfach.

Gewalt in der Familie

Es gibt eine (wichtige! gute! sinnvolle!) Kampagne, sie heißt "Schaust du hin? Gemeinsam gegen häusliche Gewalt."

Sie hat etwas in mir angestoßen bzw. aufgeweckt, das ich hier festhalten möchte.

 

Ich weiß, es könnte als Relativierungsversuch missinterpretiert werden, das ist es aber nicht, dessen kann ich jede/n, die/der das jetzt liest, mit reinstem Gewissen versichern. Es ist mir ein dringendes Bedürfnis, die folgenden Gedanken festzuhalten (ich muss die Gelegenheit nutzen, sonst ist die "Inspiration" weg und das Thema versinkt wieder im Dunkeln).

Ich erwarte keine Kommentare (!), und streiten will ich mich auch nicht. Wie gesagt, es will einfach raus:

 

Ich bin selbst acht Jahre lang schwerst körperlich und psychisch misshandelt worden, ebenso meine neun Jahre jüngere Stiefschwester.

Beide von derselben Frau, der leiblichen Mutter meiner Stiefschwester.

 

Im Laufe der Jahre, die seitdem vergangen sind, habe ich nicht wenige Frauen kennengelernt, die durch ihre (biologischen oder sozialen) Mütter unglaubliches Leid erfahren (haben).

 

Ich weiß, dass Gewalt (psychische, koerperliche, sexualisierte) gegen weibliche Personen ein großes gesellschaftliches Problem ist. Dass die von Männern gegen Frauen ausgeübte Gewalt kein Tabuthema mehr ist, begrüße ich sehr.

 

Ich frage mich nur manchmal, ob wir damit nicht die andere Seite der Medaille ausblenden. Ich bin ganz und gar nicht dafür, das Thema Männergewalt aus dem Fokus zu nehmen und durch das Thema Frauengewalt zu ersetzen. Ich vermisse als (ehemals) Betroffene nur, dass sie auch in den Blick genommen wird.

 

Das eine gibt es, glaube ich, nicht ohne das andere.

Die Wurzel "Frauenhass" ist bei beiden "Lagern" dieselbe und bedingt einerseits die Bereitschaft, die Opferrolle anzunehmen und andererseits, sich die Rolle des Täters/ der Täterin anzumaßen.

 

Gewalt ist ein Menschenproblem. Sie kann (und sie wird!) in all ihren Formen von Männern UND Frauen ausgeübt. Sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich.

 

Ich wünsche mir also, dass auch weibliche Gewaltausübung in den Blick genommen wird. Vielleicht passiert das ja schon, und ich weiß davon nichts, weil auch ich als Betroffene einen blinden Fleck habe. In mir liegen zwei Impulse miteinander im Wettstreit: Mich damit intensiver zu beschäftigen, d.h. mich emotional zu öffnen, ohne vorher zu wissen, was das mit mir macht (vielleicht bin ich trotz Therapie doch nicht so stabil, wie ich meine? Die Furcht davor sitzt tief!), und der Wunsch nach Frieden, nach heiler Welt, danach, mein heutiges Leben einfach nur zu genießen. Denn mein heutiges Umfeld könnte schöner, unterstützender und liebevoller nicht sein.

 

Aber dann geht es nur mir gut und unzähligen anderen nicht, denen es vielleicht helfen würde, wenn ihre weiblichen Quälgeister aus ihrer Grauzone (Zone des Grauens!) geholt würden.

 

Ein schwieriges Thema, ich weiß.