Beharrliche Konsequenz + freundliches Nerven

Ein Erfolgsrezept

Zum Wintersemester 1999/2000 nahm ich an der damaligen Hochschule für Wirtschaft und Politik (später: Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik) das Studium der Sozialökonomie mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre auf.

Die meiner Meinung nach von konservativer Seite zu Unrecht zeitlebens als "linke Kaderschmiede" verunglimpfte - und genauso zu Unrecht von manchen Studierenden für eine solche gehaltene - HWP hat das vergleichsweise kurze "christdemokratische" Intermezzo im Hamburger Senat leider mit dem Leben bezahlt - sie wurde 2005 aufgelöst und in die Universität Hamburg integriert. Heute firmiert ein kleiner Rest ihres ursprünglichen Lehrangebots bzw. des mit ihrem Lehrangebot verbundenen gesellschaftspolitischen Anspruchs als "Fachbereich Sozialökonomie" unter dem Dach der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Die Luftbelastung durch Zigarettenrauch im Foyer der HWP war zu meiner Zeit enorm. An manchen Tagen hätten dort ohne Weiteres sehr überzeugende Szenen für "Gorillas im Nebel" gedreht werden können, nur die echten Gorillas hätten gefehlt. 

Es gehörte damals quasi zum guten (vermeintlich linken, widerständigen) Ton, das bestehende Rauchverbot zu ignorieren, allen freundlichen oder weniger freundlichen Bitten um Rücksichtnahme und Schonung rauchempfindlicher Menschen zum Trotz.

Das Foto zeigt "Ziggi", unser Rauchopfer. Ziggi saß geraume Zeit im Foyer und stank ganz erbärmlich, was nicht nur den Kippen geschuldet war, mit denen er (neben Zeitungspapier) gefüllt war, sondern auch den grässlich riechenden Anzündwürfeln, die sein Verbrennen unterstützen sollten. Allerdings haben wir es dann doch nicht übers Herz gebracht, ihn den Flammen zu übergeben. Ziggi wurde nach Ende der Kampagne dankenswerterweise von den Hausmeistern ordnungsgemäß entsorgt. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht!

Eines Tages, nachdem wieder einmal ein qualmender Jungspund (nix da "linke Socke"; sondern Marke Gymnasiast aus gutem Hause*) meine Bitte um Rücksichtnahme und Beachtung des Rauchverbots abgebügelt hatte, platzte mir der Kragen. Schluss mit dem Opfergehabe! Schluss mit Bitte-Bitte und dem Hinnehmen von Spott und ignoranter Machtausübung. Wenn die, die eigentlich dafür zuständig wären, ihre Verantwortung nicht wahrnehmen wollen, dann werde ich eben selber aktiv - meine Zeit als Kampagnenassistentin bei Greenpeace sollte nicht umsonst gewesen sein!

Und so begann eine Zeit der intensiven Auseinandersetzung, des Werbens, des Einforderns von Verantwortung und dem beharrlichen Aufzeigen von Grenzen. Eine Zeit angefüllt mit Erfolgserlebnissen und rührenden Momenten, genauso wie mit Frust, Enttäuschungen und Erschöpfung. Aber es hat sich gelohnt, allemal. Am Ende stand der Erfolg, und der war mitnichten allein mein Verdienst! Den festen Kern des kleinen Kampagnen-Teams bildeten meine unerschrockenen Kommilitoninnen Marie Janackova, Nevenka Lübbing und ich. Ohne die beiden hätte ich vielleicht doch zwischendurch das Handtuch geworfen, denn so mancher Widerstand wurde auf emotionaler Ebene bewusst verletzend und "hintenrum" geleistet. Das offene, konstruktive Austragen von Konflikten war eben auch an einer vermeintlich "linken" Institution mit vermeintlich "autonomen" Studierenden keine Selbstverständlichkeit. 

Und trotzdem! Ich würde es immer wieder tun!

Denn das Wunderbare und Allerschönste an diesem Projekt, an dieser Kampagne war für mich zu sehen und - teilweise erst lange nach Projektende und eher zufällig - zu erfahren, wie viele Studierende, Lehrende und Verwaltungsangestellte, Nichtraucher/innen und Raucher/innen (!) sich während dieser vier Semester vor und hinter den Kulissen auf eigene Faust und aus eigenem Antrieb in den Dienst der Sache gestellt haben. Sich persönlich oftmals auch sehr unangenehmen Diskussionen ausgesetzt und nicht locker gelassen haben. Die die Kampagne ganz unauffällig und teilweise nachgerade im allerbesten Sinne subversiv unterstützt haben.

Euch allen danke ich für diese schöne Erfahrung, die ich als ein tolles Geschenk empfinde und die ich ohne euch nicht hätte machen können!

* Zumindest entsprach er vom Aussehen her eher meinem Bild eines solchen. Sein Benehmen hingegen ließ auf "Einzeller" schließen, aber die gibt es ja in jeder erdenklichen politischen Richtung und sozialen Klasse.

Ein solches Projekt braucht natürlich auch "substantielle" Unterstützung, schließlich ziehen viele Ideen und Aktionen auch Materialkosten in nicht unerheblichem Ausmaß nach sich. Ganz besonderen Dank verdienen daher auch die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG), die uns mit dem nötigen Budget versehen hat; die Betriebskrankenkasse SPAR (BKK SPAR, existiert heute nicht mehr als eigenständige BKK) hat uns als einzige (!) Krankenkasse in Zusammenarbeit mit der Betrieblichen Gesundheitsförderung Consulting (BGf) tatkräftig unterstützt, so dass wir einen tollen Entspannungstag unter anderem mit Traumreisen, Gesundheitsberatung und frischgepressten Säften auf die Beine stellen konnten; bei der Homöopathin Frauke Siedenburg konnten gestresste Studierende eine Probe-Akupunktur-Sitzung in Anspruch nehmen; Detlef Christiansen, Experte in der Suchtprävention und im Umgang mit Suchtkranken stand uns beratend zur Seite; Helga Müller, damals Krisen- und Suchtberaterin der UHH, stärkte uns als kompetente Referentin den Rücken. Ihnen allen gilt tiefempfundener Dank!